Das schwarze Reptil

Drama in der Schlangengrube

Das Tier im Weibe: Im neunten Teil der HD-Neuauflage mit Hammer-Klassikern präsentiert Regisseur John Gilling ein schön schauriges Horrordrama, das mit einem der ersten weiblichen Monster der britischen Gruselfilmgeschichte auftrumpft. 

Im Kanon des von klassischen Filmmonstern dominierten Hammer-Horrors nimmt "Das schwarze Reptil" eine Sonderstellung ein. Aus der Tragik des Werwolf-Mythoses und der Bedrohlichkeit der Jekyll-und-Hyde-Konstellation erschuf Drehbuchautor Anthony Hinds eine originäre Schreckensgestalt, die erstmals die animalische Seite des vermeintlich schwachen Geschlechts repräsentieren darf. Dass die von Jacqueline Pearce verkörperte Schlangenfrau erst in der 61. Laufzeitminute in voller Monsterpracht auftritt,  ist dabei kein Manko, sondern Beleg dafür, wie sorgfältig Regisseur John Gilling den Spannungsbogen dieser perfekt durchkomponierten B-Movie-Perle strukturiert hat. Ende des 19. Jahrhunderts kommt es in einem kleinen Dorf im ländlichen Cornwall zu mysteriösen Todesfällen, vor denen immer exotische Flötenklänge zu hören waren. Zu den Toten gehört auch der Bruder von Harry Spalding (Ray Barrett), der mit seiner resoluten Gattin Valerie (Jennifer Daniel) in das nun leer stehende Haus der Familie zieht. Während Harry versucht, hinter das Geheimnis des von den Dorfbewohnern "schwarze Tod" getauften Phänomens zu kommen, freundet sich Valerie mit der liebreizenden Tochter Anna (Pearce) ihres verdächtig feindselig auftretenden Nachbarn Dr. Franklyn (Noel Willman), der sich nach und nach als Wurzel allen Übels entpuppt. Der weitgereiste Wissenschaftler hatte nämlich auf Borneo einen Schlangenkult erforscht und damit einen Frevel begannen, für den nicht er, sondern seine mit einem Fluch belegte Tochter büßen muss – zum Leidwesen der cornwallschen Bevölkerung. 

Dass "Das schwarze Reptil" optische Parallelen zum auch von Gilling inszenierten "Nächte des Grauens" aufweist, in dem ebenfalls das viktorianische England von der Rache der unterdrückten Kolonien heimgesucht wird ist keine Überraschung. Beide Filme wurden back-to-back in denselben Kulissen gedreht – genau wie die parallel entstandenen A-Produktionen "Rasputin - Der wahnsinnige Mönch" und "Blut für Dracula", mit denen Gillings Cornwall-Schocker als Double-Feature-Präsentationen in die Kinos kamen. Über dieses ökonomische Produktionsexperiment sowie den für damalige Verhältnisse modernen femininen Schwerpunkt von "Das schwarze Reptil" informiert der thematisch mäandernde Audiokommentar der Filmgelehrten Dr. Rolf Gießen und Volker Kronz. Weitere Informationen über den Entstehungsprozess des jetzt in satten HD-Farben aber leicht krisseligen Schwarztönen vorliegenden Films liefert das 28-minütige Feature "The Serpent's Tale", in dem auch Jacqueline Pearce zu Wort kommt. Die heute 71-jährige Schlangenfrau, die schon in "Nächte des Grauens" als betörendes Zombiegirl der Hingucker war, hebt die unterschwelligen erotischen Untertöne des Films hervor und schwelgt ansonsten in wohligen Dreherinnerungen – wenn man von der Tortur absieht, die das aufwendige Applizieren der Schlangenmaske mit sich brachten. Wie der renommierte Maskenbildner Roy Ashton seine letzte Großtat für die Hammer Studios in die akribische Tat umsetzte, wird u. a. im exklusiven Booklet der limitierten Mediabooks geschildert, die in zwei alternativen Cover-Varianten erhältlich sind. Noch im Oktober soll die famose Hammer-HD-Reihe mit "Dracula uns seine Bräute" weitergehen. Wann genau erfährt man auf der Homepage von Anolis Film.

 

"Das schwarze Reptil" (Originaltitel: "The Reptile") – GB, 1966 (90 Min.)