Reif für die Insel... des Grauens
Gothic Horror Extreme: Im dritten Knaller aus der "British Splatter Classics"-Reihe von Anolis Entertainment sieht sich eine Gruppe von Archäologen mit einem Drohkulissenmix aus Old-School-Grusel und modernem Slasher-Kino konfrontiert.
"Turm der lebenden Leichen" geht atmosphärisch gleich in medias res: Auf einer nebelverhangenen Leuchtturminsel vor der englischen Küste entdecken zwei Fischer nicht nur die übel zugerichteten Leichen dreier amerikanischer Rucksacktouristen, sondern auch die nackte Überlebende Penny (Candace Glendenning), die sie wie von Sinnen mit einem Schlachtermesser attackiert. Während zurück auf dem Festland ein Psychiater mittels Hypnose zu ergründen versucht, was die apathische Mordverdächtige auf Snape Island erlebt hat, bereitet ein Team von Archäologen eine Expedition zum maritimen Tatort vor, da sich eines der Mordwerkzeuge als phönizische Antiquität entpuppt hat. Begleitet werden sie von dem amerikanischen Privatdetektiv Brent (Bryant Haliday) und dem lokalen Fischer Hamp (Jack Watson), der weit mehr über die Geheimnisse der Insel zu wissen scheint als er zuzugeben bereit ist. Bis die mysteriöse Zerstörung ihres Bootes und das plötzliche Auftauchen einer verwesten Wasserleiche im Leuchtturm-Aufenthaltsraum schicksalshaft deutlich macht, dass sie auf der von einem Höhlensystem durchzogenen Felseninsel nicht alleine sind.
Wer sich vor dem HD-restaurierten Filmgenuss die 16-minütige Einleitung des Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger zu Gemüte führt, wird bereits schonend darauf vorbereitet, dass es sich
bei den deutschen Verleihtiteln, die auf den beiden limitierten Mediabook-Varianten prangen, um Mogelpackungen handelt. "Turm der lebenden Leichen" und der spätere
Wiederaufführungstitel "Devil's Tower - Schreckensturm der Zombies" waren marktstrategische Versuche, auf der Zombiefilm-Erfolgswelle der 70er Jahre zu reiten. Doch auch wenn es keine untoten
Kannibalen sind, die den "Horror on Snape Island" (US-Verleihtitel) personifizieren, stellt die Zusammenarbeit von Regisseur Jim O'Connolly ("Gwangis Rache") und B-Movie-Produzent Richard
Gordon ("Frankenstein 70") einen Paradigmenwechsel im britischen Genrekino dar. Indem sie klassische Schauermechanismen des Hammerschen Gothic-Horrors mit nackter Haut und drastischer
Exploitationgewalt kombinierten, versinnbildlicht der "Turm der lebenden Leichen" den Übergang zum modernen Schocker-Kino der folgenden Slasher- und Splatterjahre. Inszenatorisch ragen
dabei Pennys Hypnose-Flashbacks heraus, deren desorientierende Schnittkaskaden wie eine psychedelische Geisterbahnfahrt wirken (siehe US-Trailer unten). Neben einem Booklet, das den
Entstehungsprozess des Films minutiös nachzeichnet, bieten die schmucken Blu-ray-DVD-Mediabook-Combos an der Bonusfront ein 58-minütiges Festival-Interview mit Robin Askwith, der auf höchst
amüsante Weise seine Karriere als britische Kultfilm-Ikone Revue passieren lässt. Dabei nimmt der nur am Rande Erwähnung findende "Turm der lebenden Leichen", wo Askwith in der Nebenrolle
des an die Vorratskammerwand gespießten Hippies zu sehen ist, eine Sonderstellung ein. Schließlich erregte der notorisch gut gelaunte Mime hier die Aufmerksamkeit
von Produzent Gordon, der ihn ein Jahr später im so durchgeknallten wie berüchtigten "Frankensteins Horror-Klinik" besetzte – dem spektakulären Auftaktsfilm der "British Splatter
Classics"-Reihe. Wie und wann es damit weitergeht, erfährt Fan auf der Anolis-Homepage.
"Turm der lebenden Leichen" (Originaltitel: "Tower of Evil") – GB/USA, 1972 (90 Min.)