Das Haus der lebenden Leichen

"Psycho" goes Bahnhofskino

Entflammtes Muttersöhnchen: Im dritten Teil der famosen "Grindhouse Collection Vol. 2" von Subkultur Entertainment greift ein gepeinigter Außenseiter bei seinem psychotischen Rachefeldzug gegen die Frauenwelt zum Flammenwerfer!

Dass es sich bei Donny Kohler (Dan Grimaldi) um einen sozial verkümmerten Sonderling handelt, wird gleich zu Filmbeginn deutlich. Da schaut der Angestellte einer Müllverbrennungsanlage nämlich tatenlos zu, als ein verunfallender Kollege in Flammen aufgeht. Der Grund für sein befremdliches Verhalten wird in Flashbacks erklärt, in denen Klein-Donny die Arme von der despotischen Mutter (Ruth Dardick) über die Gasherdflamme gehalten bekommt, um ihm "das Böse auszubrennen". Klar, dass da kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft heranwachsen kann! So überrascht es auch nicht wirklich, dass Donny vollends die Sicherungen durchbrennen, als er von der Arbeit kommend zuhause seine Rabenmutter entschlafen vorfindet. Nach einem Moment kindlicher Freude, in dem die unverhoffte Befreiung mit bis zum Anschlag aufgedrehter Discomusik ("Struck by Boogie Lightning" von L'Ectrique) zelebriert wird, lässt sich Donny von Stimmen in seinem Kopf zu drastischeren Taten hinreißen. Unter fadenscheinigen Vorwänden lockt der perverse Pantoffelheld junge Frauen in seine marode Villa, wo er ihnen in einer selbstgebastelten Stahlkammer einen grausamen Flammentod beschert. Dumm nur, dass die verkohlten Opfer und Frau Mutter nicht daran denken, tot zu bleiben, sondern den armen Donny in Visionen heimzusuchen beginnen. Psychos haben's eben auch nicht leicht!  

Dass die Blu-ray-Weltpremiere von "Das Haus der lebenden Leichen" einen formidablen Neuzugang für die zweite "Grindhouse Collection" (siehe unten) darstellt, hat mehrere Gründe, auf die Regisseur Joseph Ellison im exklusiven Bonusinterview eingeht. Nach Abschluss des Filmstudiums an der NYU suchte der bekennende Fellini-Fan für sein Regiedebüt nach einem Horrorfilmskript, mit dem sich für wenig Produktionskosten viel Eindruck in der Branche machen ließ. Fündig wurde er bei der "Psycho"-Variation "The Burning Man", die nach einer Umbenennung in "The Burning" schließlich vom US-Verleih als "Don't Go in the House" veröffentlicht wurde. Das besondere Etwas, das den Film aus dem damaligen Slasher-Boom hervorstechen ließ und ihm seinen berüchtigten Ruf einbrachte, war Donnys feuriges Mordwerkzeug in Flammenwerfer-Gestalt. Tatsächlich zeigt die mit einer simplen Überblendung frappierend real getrickste Feuertaufe des ersten nackt in der Stahlkammer hängenden Opfers (Playboy-Bunny Debra Richmond) noch heute verstörende Wirkung. Außergewöhnlich sind auch diverse extreme Kameraperspektiven, die Ellison rückblickend als "modern expressionistisch" betitelt. Weiter veredelt wird die Bahnhofskino-Exzentrik durch die Over-the-Top-Performance von Dan Grimaldi, der zwar nicht die Manie eines Joe Spinell ("Maniac") erreicht, bei seinem Hauptrollendebüt aber ordentlich vom Leder zieht. Wie der spätere "Sopranos"-Darsteller die Dreharbeiten in New Jersey erlebte, schildert er in einem Bonusinterview und einem amüsierten Audiokommentar. Dort erfährt man auch, dass Grimaldi nach der Premiere von "Das Haus der lebenden Leichen" lange Zeit nicht mehr zum Grillen eingeladen wurde. Für die Kunst müssen nunmal Opfer gebracht werden! Wann und wie schockierend es mit den DVD-Blu-ray-Combo-Veröffentlichungen in der zweiten "Grindhouse Collection" weitergeht, erfahren Genre-Aficionados auf der Facebook-Seite des Labels.

 

"Das Haus der lebenden Leichen" (Originaltitel: "Don't Go in the House") – USA, 1979 (83 Min.)


Bereits in der "Grindhouse Collection Vol. 2" erschienen...

"Ein Mann wird zum Killer" (Originaltitel: "Death Force") – USA/RP, 1978 (105 Min.)

Den Auftakt der insgesamt 10 Bahnofskinoreißer umfassenden Kulteihe stellt eine Perle des Blaxploitationgrenres dar. In diesem Racheknaller säbelt James Iglehart als totgeglaubter Vietnamheimkehrer die Köpfe seiner Verräterfreunde ab, nachdem er auf einer Pazifikinsel von zwei dort gestrandeten japanischen Weltkriegssoldaten die Kunst des Samurai-Schwertkampfs erlernt hat. Die Anschaffung der mit einer schmucken Sammelbox ausgelieferten deutschen Heimkinopremiere lohnt sich auch wegen der als Bonus enthaltenen Dokumentation "Machete Maidens Unleashed!", in der die unfassbare Geschichte des auf den Philippinen für den US-Markt produzierten Exploitationkinos aufgearbeitet wird.

"Cannibal Man" (Originaltitel: "El semana del asesino") – Spanien, 1973 (98 Min.)

Bereits auf DVD als Teil 19 der "Motion Picture"-Reihe des gleichnamigen Sublabels erschienen, bekommt die spanische Splattergranate von Eloy de la Iglesia zur Veröffentlichung in der "Grindhouse Collection" als Weltpremiere eine knallige 2K-Abtastung spendiert. Der in England als 'Video Nasty' gehandelte Film erzählt die Geschichte des Schlachthofmitarbeiters Marcos (Vincente Parra), der im Streit versehentlich einen Taxifahrer abmurkst und damit eine Kettenreaktion blutiger Folgemorde in Gang setzt. Dabei ist "Die Woche des Mörders" (so der übersetzte Originaltitel) kein Kannibalenschocker, sondern ein reißerisches Exploitation-Drama. Wie heißt es im internationalen Trailer so richtig: "The Cannibal Man living in today's jungle kills for his freedom."