Bella Italia? Von wegen!
Rape ohne Revenge: Das neue DVD-Label Cinestrange Austria startet seine "Extreme Edition"-Reihe mit einem bösen Knall: der Uncut-Veröffentlichung von Raffaele Picchios berüchtigtem Gewaltschocker "Morituris".
Wer vor ziemlich genau einem Jahr die um 18 Minuten (!) entschärfte Veröffentlichung von Tiberius Film erworben hat, wird gedacht haben, sich mit "Morituris - Das Böse gewinnt immer" einen
verstümmelten 08/15-Slasher eingehandelt zu haben. In Wahrheit ist das beachtlich inszenierte Regiedebüt des Italieners Raffaele Picchio aber weitaus mehr als das. Es ist ein schwer verdaulicher
Abgesang auf die Menschheit.
Tatsächlich beginnt der Film mit einem klassischen Genre-Setup: Wir begleiten eine gut gelaunte Gruppe junger Menschen auf ihrer Autofahrt zu einem Rave vor den Toren Roms, ohne zu ahnen, dass dort - wie zuvor ein Found-Footage-Prolog etabliert hat - ein paar Zombie-Gladiatoren ihr blutrünstiges Unwesen treiben. Im verlassenen Waldgebiet angekommen, sind es aber zunächst nicht die Untoten, die für das Grauen sorgen. Unvermittelt zeigen die Männer der Gruppe ihr wahres Gesicht und beginnen, ihre beiden Begleiterinnen brutal zu vergewaltigen. Dieser plötzliche Einbruch verstörend realer Gewalt trifft den Zuschauer in der ungeschnittenen Fassung wie ein Schlag. Bevor die Slasher-Gladiatoren in stimmungsvoll heraufbeschworener "reitenden Leichen"-Manier und unterstützt von SFX-Guru Sergio Stivaletti ("Dellamorte Dellamore") drastisch für nihilistische Tabula rasa sorgen, gilt es, ein misogynes Horrorszenario im Stil von Wes Cravens "Das letzte Haus links" und Aldo Lados "Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien" zu überstehen.
Die ungeschönte Darstellung dieses Martyriums, das auf einem realen Vorfall aus den 70er Jahren basiert, der als "Massaker von Circeo" in die italienischen Annalen eingegangen ist, führte dazu, dass "Morituris" in seinem Heimatland als erster Film seit 15 Jahren mit einem Aufführungsverbot belegt wurde. So unangenehm diese Szenen auch sein mögen - im dramaturgischen Gesamtkonzept von "Morituris" stellen sie keinen selbstzweckhaften Brutalo-Voyeurismus dar. Indem sie die Schattenseite einer noch immer in Italien grassierenden Machismo-Kultur bebildern, schaffen sie vielmehr die Grundlage für eine bittere Filmbotschaft, die Regisseur Picchio im Making-of hervorhebt: Böses zieht immer noch Böseres nach sich.
Im sehenswerten Making-of und in seinem exklusiven Booklet-Interview betont Picchio außerdem, dass er mit seinem inszenatorischen Retro-Vibe der Ära des italienischen Exploitation-Kinos
Tribut zollen wollte. Was auch erklären dürfte, warum in einigen parallel montierten Szenen, in denen der von Pornodarsteller Francesco Malcolm verkörperte Mentor der drei Bestien in
Menschengestalt seine eigene frappierende Schreckenstat begeht, im Hintergrund an die Wand projizierte Sequenzen aus Massimo Pupillos Folterschocker "Scarletto - Schloss des Blutes" aus dem Jahre
1965 laufen. Das Bonus-Highlight und uneingeschränktes Kaufargument stellt Donatello Della Pepas grandioser Kurzfilm "Versipellis" über ein Zwillingsbrüderpaar mit animalischem Geheimnis
dar. Mit welcher Extremkost es bei Cinestrange Austria weitergeht, erfährt man auf der Homepage des Labels.
"Morituris" (Originaltitel: "Morituris") - Italien, 2011 (82 Min.)